Spurensuche 21.11.2016
Relative Zeit
"… wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit, und in Ewigkeit."
(Liturgie)
Nein, eine absolute Zeit gibt es nicht, auch wenn die Gleichmäßigkeit der Uhr uns so etwas suggerieren will. Zeit ist, objektiv gesehen, relativ, abhängig vom Raum, von der Geschwindigkeit, vom Standpunkt des Beobachters. Erst recht ist sie, subjektiv empfunden, eine relative Größe. Nächtliche Stunden gehen qualvoll langsam vorbei, wenn der Schlaf sich nicht einstellt. Monotone Handlungen lassen Zeit zu einer sinnentleerten Belastung werden. Sie zerrinnt uns unter den Händen; einmal ist sie zu lang, dann wieder haben wir einfach nicht genug davon. Momente des Glücks gehen viel zu schnell vorbei. Bei unseren Versuchen, über die Zeit zu verfügen, stoßen wir an die Grenzen des menschlich Möglichen. Wie soll man sich unter diesen Bedingungen eine Ewigkeit vorstellen? Wird sie nicht zur Horrorvision unserer Zeitgebundenheit? Oder im Gegenteil zur Negation all dessen, was Leben ausmacht, zum Stillstand, zur öden unveränderbaren Langeweile? Kann die Ewigkeit, von der der christliche Glaube spricht, dann noch ein Sehnsuchtsort sein? Vielleicht doch, wenn ich mir die Frage vorlege, ob mein Leben eingebunden ist in einen größeren Zusammenhang, über den ich nicht verfügen kann, der im Tod nicht aufgehoben ist, sondern in aller Klarheit hervortritt. Da gibt es keine logischen Antworten und Begründungen mehr. Aber der Mensch ist mehr als Logik und Vernunft, er ist kein kybernetisches System programmierter Schaltkreise. Sein Denken und Hoffen geht weit darüber hinaus. Ist der Gedanke an eine Ewigkeit, die wir nicht begreifen und uns nicht einmal vorstellen können, der Grund dafür? Und wie ist diese Ewigkeit gefüllt? Zwei parallele Raum-Zeit-Linien schneiden sich im Unendlichen. Ewigkeit als Ausgangspunkt und Zielpunkt, nicht als Fluchtpunkt. Ein Angebot für mich?
Impulse
- Im Evangelischen Gesangbuch (Nr. 64, im katholischen Gotteslob Nr. 257) ist ein Lied von Jochen Klepper abgedruckt: Der du die Zeit in Händen hast, geschrieben 1938. Ein Text zum Meditieren – und zum getröstet werden.
- Was ist für mich zerfließende Zeit, wie in Dalis Bild, was ist für mich beständig?
- Zum Nach-denken: Bald schon werde ich wiedervereint sein mit meinem Ursprung, und ich glaube nicht mehr, dass es der Gott der Herrlichkeit ist, von welchem mir die Äbte meines Ordens erzählten, auch nicht der Gott der Freude, wie einst die Minderen Brüder glaubten, vielleicht nicht einmal der Gott der Barmherzigkeit. Gott ist ein lauter Nichts, ihn rührt kein Nun noch Hier ... Ich werde rasch vordringen in jene allerweiteste, allerebenste und unermessliche Einöde, in welcher der wahrhaft fromme Geist so selig vergeht. Ich werde versinken in der göttlichen Finsternis, in ein Stillschweigen und unaussprechliches Einswerden, und in diesem Versinken wird verloren sein alles Gleich und Ungleich, in diesem Abgrund wird auch mein Geist sich verlieren, und nichts mehr wissen von Gott noch von sich selbst, noch von Gleich und Ungleich noch von nichts gar nichts. Und ausgelöscht sein werden alle Unterschiede, ich werde eingehen in den einfältigen Grund, in die stille Wüste, in jenes Innerste, da niemand heimisch ist. Ich werde eintauchen in die wüste und öde Gottheit, darinnen ist weder Werk noch Bild ... (Adson von Melk, der Chronist in Umberto Ecos Der Name der Rose, am Ende seines Epilogs und des ganzen Romans)..
Diese Spur wurde Ihnen gelegt von Dr. Christoph Klock
Ankündigung Adventsspuren
Liebe Spurenleserin, lieber Spurenleser,
am kommenden Sonntag feiern wir den "Ersten Advent". Es beginnt eine besondere Zeit, die uns auf das kommende Weihnachtsfest ausrichtet und vorbereitet. Wie bereits schon in den vergangenen Jahren werden wir Ihnen bis zum 24. Dezember täglich eine Adventsspur zusenden.
In diesem Jahr stehen innere Haltungen oder Stimmungen im Mittelpunkt. Denn unsere innere Gestimmtheit ist entscheidend für unsere Sicht auf die Dinge – gerade auch im Advent. Dem wollen wir in unseren Adventsspuren nachgehen.
In der ersten Woche geht es um „Wachsamkeit, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit“, in der zweiten Woche fragen wir nach „Umkehrbereitschaft, Nachdenklichkeit und kritischen Gedanken“, in der dritten Woche schauen wir "hoffnungsvoll und erwartungsfroh" in die Welt und in der vierten Woche nähern wir uns Weihnachten "wartend, gläubig, christlich". Wir hoffen, dass wir Ihnen damit täglich einen Gedankenimpuls geben, der Sie vorbereitet und einstimmt auf das große Fest, in dem wir Gottes Menschwerdung feiern.
Eine gesegnete Adventszeit wünscht Ihnen das diesjährige Team der Adventsspuren von Kirche & Co., dem ökumenischen Kirchenladen in Darmstadt:
Nikola Beth, Agnes Doerr-Roet, Hans-Jörg Fritz-Knötzele, Ulrike Hofmann, Dr. Christoph Klock, Dr. Petra Knötzele, Heinz Lenhart, Elisabeth Prügger-Schnizer, Eva Reuter, Stefanie Sehr, Dr. Hans Steubing, Britta Tembe.
Kirche & Co. – ein Laden der Kirchen für die Menschen in der Stadt
(Kirche in der City von Darmstadt e.V.) Rheinstraße 31, 64283 Darmstadt
Bild: Marco Görlich @ pixelio.de
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