Spurensuche 20.03.2023
Sehen und Blindheit
"Was ist am Sabbat erlaubt – Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zu vernichten?"
(Markusevangelium 3,4)
Es fällt auf, dass die Streitkultur in unserem Land krisenhafte Züge angenommen hat. Es ist schlichtweg unbequem, sich mit Meinungen auseinanderzusetzen, die nicht den eigenen Überzeugungen entsprechen. Man bleibt lieber unter sich, in der Gruppe der Gleichgesinnten. Andersdenkende werden da schnell als Feinde abgestempelt, gerne als Faschisten beschimpft. Darin unterscheidet sich die Rhetorik von Links und Rechts nicht. Selbsternannte Wertezensoren lauern auf Äußerungen, die in sich völlig harmlos sind, um sie als sexistisch oder rassistisch zu qualifizieren. Ehe man sich versieht, landet man in einer Schmuddelecke.
Wer selbst schon einmal Opfer solcher Attacken geworden ist, weiß, wovon ich rede. Das sind Mechanismen, die zutiefst schmerzen und verletzen können. Sie trennen Menschen, die zuvor gut miteinander auskamen, sie verunsichern und zerstören das wechselseitige Vertrauen. Auch die Bibel weiß darum. Und einen trifft es immer wieder. Jesus selbst. Was da vor sich geht, ist zeitlos und typisch. Es könnte vor unseren Augen geschehen:
Jesus heilt am Sabbat einen Mann, der von Geburt an blind ist. Eigentlich für alle, die ihn nach seiner Heilung nun sehend erleben, ein Grund zur Freude. Doch die Geschichte im Johannesevangelium (9,1-41) steht, noch bevor sie richtig begonnen hat, unter einem schlechten Stern. Bereits die Haltung der Jünger Jesu, die Blindheit als Sündenstrafe deuten, führt in die völlig falsche Richtung. Vorurteile, Unglauben, Missgunst, Unverständnis, Angst und Machtstreben lassen die Situation eskalieren. Leidtragender ist zunächst der Geheilte. Doch er ist es, der am Ende als einziger wirklich sieht (also erkennt), die vermeintlich Sehenden erweisen sich als blind.
Es lohnt sich, diese Geschichte, gerade jetzt in der Fasten- bzw. Passionszeit, einmal genau durchzulesen und die einzelnen Etappen der Auseinandersetzung auf sich wirken zu lassen. Sie bieten, ganz im Sinne des Leitthemas „Sehen und Blindheit“, reichlich Anschauungs(!)material für unsere eigenen Verhaltensweisen. Wichtig nur: der Jesus des Johannesevangeliums ist kein moralischer Aktionist. Es geht um viel mehr: Glauben und Rettung. Für mich ist diese Begebenheit ein Meilenstein auf dem Weg zu Ostern hin. Sie hat Momente des Karfreitags und lässt zugleich ein österliches Licht aufscheinen. Mag sein, dass Jesu Reden und Handeln im Johannesevangelium mitunter befremdlich erscheinen, tatsächlich kommt er uns gerade dadurch nahe. Und der Verfasser des Evangeliums ist es schließlich, der Jesus sagen lässt: Das trage ich euch auf, dass ihr einander liebt. Fassen Sie Mut zu sehen und zu fühlen, Schmerz und Enttäuschung, aber erst recht Freude, Aufbruch, Blühen, die Wärme der Frühlingssonne. Wie Jesus sagt: Dein Auge gibt dem Körper Licht.
Diese Spur wurde Ihnen gelegt von Dr. Christoph Klock
Eine gesegnete Woche wünschen Ihnen Ihre Spurenleger.
Maren Dettmers, Hans-Jörg Fritz-Knötzele, Ulrike Hofmann,
Dr. Christoph Klock, Heinz Lenhart, Elisabeth Prügger-Schnizer, Heiko Ruff-Kapraun, Tobias Sattler und Dr. Hans Jürgen Steubing
Kirche & Co. – ein Laden der Kirchen für die Menschen in der Stadt
(Kirche in der City von Darmstadt e.V.) Rheinstraße 31, 64283 Darmstadt
Bild: El Greco, Heilung des Blindgeborenen (ca. 1570-1575). Staatliche Kunstsammlungen Dresden @ Wikimedia Commons
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